Der bajuwarische Reiterfürst von Bayerbach
Zwischen Juli 2022 und April 2023 führte die Kreisarchäologie Landshut im Auftrag der Gemeinde Bayerbach b. Ergoldsbach archäologische Ausgrabungen für ein neues Baugebiet am Ortsrand durch. Dabei stieß das Team völlig überraschend auf einen im Schatten dreier mächtiger Grabhügel liegenden bajuwarischen Friedhof des 7. und frühen 8. Jahrhunderts. Friedhof und Grabhügel stammen aus der Zeit der ersten urkundlichen Erwähnung des Ortes.
Ein glänzender Krieger
Zentral unter einem der Grabhügel fand sich das Grab eines 50- bis 60-jährigen Mannes. Obwohl dem Bajuwaren ein Teil seiner Waffen bereits kurz nach der Bestattung aus dem Grab geraubt worden war, ist der Verstorbene anhand seiner Grabbeigaben als berittener Krieger zu erkennen. Auf welchen bedeutenden Fund die Kreisarchäologie gestoßen war, wurde dann durch die restauratorische Versorgung und detaillierte Untersuchung der Grabbeigaben in den Restaurierungswerkstätten des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege in München deutlich.
Die Funde zeichnen das Bild eines reichen bajuwarischen Edelmannes, der seinen Stand durch glänzende Accessoires zum Ausdruck brachte: Seinen Kopf schmückte ein mit Goldfäden durchwirktes Stirnband, eine sog. Vitta. In seine aus Eisen hergestellten Sporen, die Riemenzunge seines Gürtels und die Gürtelschnalle waren goldglänzende Messingstreifen eingelegt. Die zahlreichen Nieten der ledernen Schwertscheide waren mit Silberfolie überzogen. „Nach Hunderten von Jahren in der Erde kommen Funde selbstverständlich nicht glänzend bei uns in der Restaurierungswerkstatt an. Unsere Methoden sind vielseitig: Die filigrane Silberfolie über den Nieten der Schwertscheide konnten wir im Röntgen-Bild identifizieren. Die Einlegearbeiten aus Messing haben wir mithilfe eines Mikrofeinstrahlgerätes freigelegt und wieder zum Scheinen gebracht“, sagt Beate Herbold, Mitarbeiterin in der Restaurierungswerkstatt des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege (BLfD).
Der golden und silbern schimmernde Reiter von Bayerbach war Angehöriger der bajuwarischen Führungsschicht. Ein Fürst, der von Bayerbach (bajuwarisch: Piparpah) aus über sein Territorium herrschte. Wie groß dieses war, ist heute nur schwer zu beantworten. Der aus den Beigaben ersichtliche Reichtum des Bayerbacher Reiterkriegers kann jedoch als Hinweis darauf verstanden werden, dass der Fürst mehr als nur lokale Macht hatte.
Bajuwarische Trinksitten
Die auffällige Erscheinung des Fürsten ergänzt ein einzigartiger Fund: Bei seinen Füßen lag ein circa 15 Zentimeter hoher und rund sieben Zentimeter im Durchmesser messender schlanker Holzbecher mit rundem Boden. Auf dem Gefäß waren zwei zungenförmige Bronzeblechstreifen aufgenagelt, die auch diesem Stück einen goldfarbenen Glanz verliehen. „Ein derartiger Holzbecher ist im mitteleuropäischen Raum bisher ohne Vergleich“, erklärt der Kreisarchäologe Dr. Thomas Richter.
Wie und wofür der Becher genutzt worden sein dürfte, darauf geben ähnliche Gefäße aus Glas Antwort, die im Merowingerreich weit verbreitet waren: Bei dem Bayerbacher Becher handelt es sich um einen Sturzbecher, einen sogenannten Tummler. Aufgrund seines runden Bodens konnte er nicht mit Inhalt auf einen Tisch gestellt werden. War er gefüllt, musste der Bayerbacher Reiter den vermutlich alkoholischen Inhalt in einem Zug trinken. Tummler werden gemeinhin als Hinweis auf männerbündische Rituale interpretiert. Als deren Teilnehmer gibt sich der Fürst durch seinen Becher zu erkennen.
Ein berittener bajuwarischer Best Ager
Die anthropologischen Untersuchungen zeigen, dass der Bayerbacher Fürst auf ein bewegtes Leben zurückblicken konnte. Seine rechten Rippen hatte er sich alle im Rahmen eines Reitunfalls gebrochen. Zwar verheilte die Verletzung, er litt aber vermutlich sein Leben lang unter ständigen Schmerzen. Starke Schmerzen dürften auch seine massiv von Karies befallenen Zähne verursacht haben.
Eine Radiokohlenstoffdatierung ergab, dass der 1,75 m große Krieger zwischen 662–687 n. Chr. verstorben war. Die Todesursache konnte nicht geklärt werden. Spuren eines Kampfes zeigten sich an den Knochen nicht. Da der Fürst ein für das frühe Mittelalter vergleichsweise hohes Alter aufweist, kann ein natürlicher Tod angenommen werden. (Text: Thomas Richter, Kreisarchäologie Landkreis Landshut)